Face off
Politiken von Gesicht und Maske
Heft 2/2018
Essay: Exploding biometrics
Festivals: Baden, Bochum, Magdeburg, München, Straßburg
„Face-off“ – das ist die direkte Konfrontation, das Duell von Angesicht zu Angesicht auf einer gemeinsamen Bühne. Mit der Perspektivierung auf gegenwärtige Politiken von Gesicht und Maske wird dieser Begriff, vielleicht das Ur-Modell archaischer Politiken eines Rechts des Stärkeren, neu befragbar gemacht: Was geschieht, wenn wir die Politiken vom off her denken, also von dem, was sich nicht (so leicht) repräsentieren lässt oder was die belichtete Bühne als Sphäre der Überwachung und Kontrolle lieber meiden möchte? Was, wenn wir uns eher ein „mask-off“ vorstellen, wie es Demonstrant*innen weltweit nicht nur aus Sicherheitsgründen aufführen, sondern auch soziale Aktivist*innen, die so ihre Individualität hinter sich lassen und zu Stellverteter*innen von Bewegungen werden? Und was schließlich, wenn wir das Gesicht selbst nicht als naturgegebenes Faktum betrachten – sondern als erstes Ding, mit dem wir anfangen Theater zu spielen? Nicht unähnlich dem Duo Nicolas Cage und John Travolta, die im Film Face/Off ihre Gesichter chirurgisch tauschen und das Gesicht des Anderen erst einmal zu spielen lernen müssen. Das Tragen von Gesichtern und Masken ist Grund verflochtener Praktiken des ästhetischen Spiels und der kämpferischen Politik, die nicht mehr trennscharf auseinanderzuhalten sind. Zeit, sie näher zu ergründen.
Als in mehrfacher Hinsicht vielgesichtig erweist sich auch die aktuelle Figurentheaterlandschaft, die wir im zweiten Teil dieser Ausgabe vorstellen. Unsere Autor*innen waren zu Gast auf Festivals in Baden, Berlin und Bochum, in Hamburg, München, Strasbourg und Stuttgart und trafen dort auf künstlerische Strategien des Widerstandes, theatrale Dialoge zwischen Mensch und Maschine, ästhetische Experimente für die Allerkleinsten, neue Formen der Partizipation, sinnhafte Un-Sinnsuche und intensive Momente poetischer Zwiesprache. Künstlerische Entdeckungen machten sie nicht nur auf den klassischen Genrefestivals, sondern vermehrt auch in interdisziplinären Kontexten. Eine Tendenz, die unser Rezensent Tobias Prüwer im neuen Theater der Zeit-Arbeitsbuch „Der Dinge Stand“ gespiegelt sieht: „Gerade das Puppen- und Materialtheater hat sich vielfach als produktive Schnittstelle zu anderen Künsten, als Übersetzer, Überbrücker und Verbinder erwiesen.“
Solchen Verbindungen nicht nur in der Theaterpraxis, sondern auch in der Reflexion über ästhetische Strategien auf der Bühne und im politischen Raum nachzugehen, darum bemüht sich die aktuelle double-Ausgabe.
Viel Freude bei der Lektüre wünschen
Beate Absalon, Sebastian Köthe, Tim Sandweg und Katja Spiess
THEMA
Face off. Politiken von Gesicht und Maske
- „Ask me why I’m wearing a mask“
Zu Ästhetik und Politik der Gesichtsflucht
Beate Absalon & Sebastian Köthe - Von Angesicht zu Puppengesicht
Gedanken zu „Solace“
Claudia Schmölders & Beate Absalon - Die Aufregung des Repräsentativen
Ein Gespräch zwischen Beate Absalon, Sebastian Köthe
und Arne Vogelgesang über gegenwärtige Gesichterpolitiken - Schwarzes Gesicht auf schwarzem Grund
Fragen und Gegenfragen zu Stefanie Oberhoffs „Die Gräfin“
René Reith - Trophäen der Macht
Zu Sergio Zervallos‘ „A War Machine“
Petra Löffler - Eine andere Perspektive
Tim Sandweg im Gespräch mit Mathias Becker - „Without the mask, he is not a man“
Die Macht der Maske im Professional Wrestling
Marie Simons
ESSAY IN ENGLISH
- Exploding biometrics
Zach Blas and the art of defacement
Nace Zavrl
FESTIVAL
- Politik mit Punch Agathe
60 Jahre Figurentheaterfestival FIDENA
Sarah Heppekausen - Echoraum der Widersprüche
6. double-Diskurs auf der FIDENA 2018
Katja Spiess - Große Experimente für die Kleinsten
Das Münchner Theaterfestival „Kuckuck“
Sabine Leucht - Anachronismus als Potential
12. Blickwechsel-Festival in Magdeburg
Steffen Georgi - (M)ein neuer Platz
Bewegende Theatererlebnisse auf dem Badener Figura Theaterfestival
Mascha Erbelding - Von Maschinen und ihren Menschen
Eindrücke vom Festival „Les Giboulées“ 2018 in Strasbourg
Katja Spiess - Festival im Zwischen
Ruhrtriennale 2018 zwischen Zeiten und Genres
Anke Meyer
JUBELN
- Grenzbefreite Schöpfungen
„Jubiläumskonzert der Dinge“ in der Schaubude
Patrick Wildermann
NEXTGENERATION
- Unsinnsuche mit Sinn
Beobachtungen beim studentischen Festival „die-wo-spielen“
Marcus Kohlbach
SEITENBLICK
- Neuvermessung
„The Critical Dictionary of Southeast Asia” von Ho Tzu Nyen
Tim Sandweg
Publikation
- Bestandsaufnahme
Über das Arbeitsbuch „Der Dinge Stand“
Tobias Prüwer
NOTIZEN & FESTIVALKALENDER
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SUMMARY
face-off
Politics of face and mask
A “face-off” is a direct confrontation, a duel fought face to face on a shared stage. From the perspective of current politics of the face and the mask, this term, possibly the primal model of an archaic politics of ‘might is right’, must be interrogated anew. What happens when we think of these politics in terms of the off, of that which cannot be (so easily) represented or would rather evade the lit stage, as a sphere of surveillance and control? What if we instead imagine a “mask-off”, like demonstrators all over the world use, and not just for safety reasons, and like social activists, who forsake their individuality to become representatives of movements?
And what if we treat the face itself not as a natural and inevitable fact, but as the first thing with which we start to act in theatre? The wearing of faces and masks is a basis for interwoven practices of aesthetic play and of combative politics that can no longer be sharply distinguished from each other. It’s time to investigate them in more detail.
CONTENTS double 38
EDITORIALTHEME: Face-Off!
Politics of face and mask
- Beate Absalon/Sebastian Köthe
“Ask Me Why I’m Wearing A Mask.“
On the aesthetics and politics of the flight from the face - Claudia Schmölders/Beate Absalon
From countenance to puppet face.
Thoughts on “Solace” - The thrill of the representative.
A conversation about current face politics with Arne Vogelgesang - René Reith
Black face on a black background
Questions and Counterquestions about “Die Gräfin” by Stefanie Oberhoff - Petra Löffler
Trophies of power.
On Sergio Zevallo’s “A War Machine” - Another perspective.
A conversation with director Mathias Becker - Marie Simons
“Without the mask, he is not a man.”
The power of masks in professional wrestling
ESSAY IN ENGLISH
- Nace Zavrl
Exploding biometrics.
Zach Blas and the art of defacement
FESTIVAL
- Sarah Heppekausen
Politics with Punch Agathe.
60 Years of the FIDENA Puppet Theatre Festival - Katja Spiess
Echo space of contradictions.
6th double discourse at FIDENA 2018 - Sabine Leucht
Big experiments for the little ones.
The Munich theatre festival “Kuckuck” - Steffen Georgi
Anachronism as potential.
12th “Blickwechsel” Festival in Magdeburg - Mascha Erbelding
My/a new place.
Moving theatre experiences at the Figura Festival in Baden - Katja Spiess
Of machines and their people.
Impressions from the festival “Les Giboulées” 2018 in Strasbourg - Anke Meyer
Festival in between.
Ruhrtriennale 2018 between times and genres
CELEBRATING
- Patrick Wildermann
Borderless creations.
“Anniversary Concert of Things” at the Schaubude
NEXT GENERATION
- Marcus Kohlbach
A search for nonsense that makes sense.
Observations at the “die-wo-spielen” student festival
SIDELOOK
- Tim Sandweg
Re-Mapping.
“The Critical Dictionary of Southeast Asia” by Ho Tzu Nyen
PUBLICATION
- Tobias Prüwer
Inventory.
About the workbook “The State of Things”