double #38

Face off
Politiken von Gesicht und Maske

Heft 2/2018

Essay: Exploding biometrics
Festivals: Baden, Bochum, Magdeburg, München, Straßburg


Editorial

„Face-off“ – das ist die direkte Konfrontation, das Duell von Angesicht zu Angesicht auf einer gemeinsamen Bühne. Mit der Perspektivierung auf gegenwärtige Politiken von Gesicht und Maske wird dieser Begriff, vielleicht das Ur-Modell archaischer Politiken eines Rechts des Stärkeren, neu befragbar gemacht: Was geschieht, wenn wir die Politiken vom off her denken, also von dem, was sich nicht (so leicht) repräsentieren lässt oder was die belichtete Bühne als Sphäre der Überwachung und Kontrolle lieber meiden möchte? Was, wenn wir uns eher ein „mask-off“ vorstellen, wie es Demonstrant*innen weltweit nicht nur aus Sicherheitsgründen aufführen, sondern auch soziale Aktivist*innen, die so ihre Individualität hinter sich lassen und zu Stellverteter*innen von Bewegungen werden? Und was schließlich, wenn wir das Gesicht selbst nicht als naturgegebenes Faktum betrachten – sondern als erstes Ding, mit dem wir anfangen Theater zu spielen? Nicht unähnlich dem Duo Nicolas Cage und John Travolta, die im Film Face/Off ihre Gesichter chirurgisch tauschen und das Gesicht des Anderen erst einmal zu spielen lernen müssen. Das Tragen von Gesichtern und Masken ist Grund verflochtener Praktiken des ästhetischen Spiels und der kämpferischen Politik, die nicht mehr trennscharf auseinanderzuhalten sind. Zeit, sie näher zu ergründen.

Als in mehrfacher Hinsicht vielgesichtig erweist sich auch die aktuelle Figurentheaterlandschaft, die wir im zweiten Teil dieser Ausgabe vorstellen. Unsere Autor*innen waren zu Gast auf Festivals in Baden, Berlin und Bochum, in Hamburg, München, Strasbourg und Stuttgart und trafen dort auf künstlerische Strategien des Widerstandes, theatrale Dialoge zwischen Mensch und Maschine, ästhetische Experimente für die Allerkleinsten, neue Formen der Partizipation, sinnhafte Un-Sinnsuche und intensive Momente poetischer Zwiesprache. Künstlerische Entdeckungen machten sie nicht nur auf den klassischen Genrefestivals, sondern vermehrt auch in interdisziplinären Kontexten. Eine Tendenz, die unser Rezensent Tobias Prüwer im neuen Theater der Zeit-Arbeitsbuch „Der Dinge Stand“ gespiegelt sieht: „Gerade das Puppen- und Materialtheater hat sich vielfach als produktive Schnittstelle zu anderen Künsten, als Übersetzer, Überbrücker und Verbinder erwiesen.“

Solchen Verbindungen nicht nur in der Theaterpraxis, sondern auch in der Reflexion über ästhetische Strategien auf der Bühne und im politischen Raum nachzugehen, darum bemüht sich die aktuelle double-Ausgabe.

Viel Freude bei der Lektüre wünschen

Beate Absalon, Sebastian Köthe, Tim Sandweg und Katja Spiess

Inhalt

THEMA
Face off. Politiken von Gesicht und Maske

  • „Ask me why I’m wearing a mask“
    Zu Ästhetik und Politik der Gesichtsflucht
    Beate Absalon & Sebastian Köthe
  • Von Angesicht zu Puppengesicht
    Gedanken zu „Solace“
    Claudia Schmölders & Beate Absalon
  • Die Aufregung des Repräsentativen
    Ein Gespräch zwischen Beate Absalon, Sebastian Köthe
    und Arne Vogelgesang über gegenwärtige Gesichterpolitiken
  • Schwarzes Gesicht auf schwarzem Grund
    Fragen und Gegenfragen zu Stefanie Oberhoffs „Die Gräfin“
    René Reith
  • Trophäen der Macht
    Zu Sergio Zervallos’ „A War Machine“
    Petra Löffler
  • Eine andere Perspektive
    Tim Sandweg im Gespräch mit Mathias Becker
  • „Without the mask, he is not a man“
    Die Macht der Maske im Professional Wrestling
    Marie Simons

ESSAY IN ENGLISH

  • Exploding biometrics
    Zach Blas and the art of defacement
    Nace Zavrl

FESTIVAL

  • Politik mit Punch Agathe
    60 Jahre Figurentheaterfestival FIDENA
    Sarah Heppekausen
  • Echoraum der Widersprüche
    6. double-Diskurs auf der FIDENA 2018
    Katja Spiess
  • Große Experimente für die Kleinsten
    Das Münchner Theaterfestival „Kuckuck“
    Sabine Leucht
  • Anachronismus als Potential
    12. Blickwechsel-Festival in Magdeburg
    Steffen Georgi
  • (M)ein neuer Platz
    Bewegende Theatererlebnisse auf dem Badener Figura Theaterfestival
    Mascha Erbelding
  • Von Maschinen und ihren Menschen
    Eindrücke vom Festival „Les Giboulées“ 2018 in Strasbourg
    Katja Spiess
  • Festival im Zwischen
    Ruhrtriennale 2018 zwischen Zeiten und Genres
    Anke Meyer

JUBELN

  • Grenzbefreite Schöpfungen
    „Jubiläumskonzert der Dinge“ in der Schaubude
    Patrick Wildermann

NEXTGENERATION

  • Unsinnsuche mit Sinn
    Beobachtungen beim studentischen Festival „die-wo-spielen“
    Marcus Kohlbach

SEITENBLICK

  • Neuvermessung
    „The Critical Dictionary of Southeast Asia” von Ho Tzu Nyen
    Tim Sandweg

Publikation

  • Bestandsaufnahme
    Über das Arbeitsbuch „Der Dinge Stand“
    Tobias Prüwer

NOTIZEN & FESTIVALKALENDER

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English

SUMMARY

face-off

Politics of face and mask

A “face-off” is a direct confrontation, a duel fought face to face on a shared stage. From the perspective of current politics of the face and the mask, this term, possibly the primal model of an archaic politics of ‘might is right’, must be interrogated anew. What happens when we think of these politics in terms of the off, of that which cannot be (so easily) represented or would rather evade the lit stage, as a sphere of surveillance and control? What if we instead imagine a “mask-off”, like demonstrators all over the world use, and not just for safety reasons, and like social activists, who forsake their individuality to become representatives of movements?
And what if we treat the face itself not as a natural and inevitable fact, but as the first thing with which we start to act in theatre? The wearing of faces and masks is a basis for interwoven practices of aesthetic play and of combative politics that can no longer be sharply distinguished from each other. It’s time to investigate them in more detail.

CONTENTS double 38

EDITORIALTHEME: Face-Off!
Politics of face and mask

  • Beate Absalon/Sebastian Köthe
    “Ask Me Why I’m Wearing A Mask.“
    On the aesthetics and politics of the flight from the face
  • Claudia Schmölders/Beate Absalon
    From countenance to puppet face.
    Thoughts on “Solace”
  • The thrill of the representative.
    A conversation about current face politics with Arne Vogelgesang
  • René Reith
    Black face on a black background
    Questions and Counterquestions about “Die Gräfin” by Stefanie Oberhoff
  • Petra Löffler
    Trophies of power.
    On Sergio Zevallo’s “A War Machine”
  • Another perspective.
    A conversation with director Mathias Becker
  • Marie Simons
    “Without the mask, he is not a man.”
    The power of masks in professional wrestling

ESSAY IN ENGLISH

  • Nace Zavrl
    Exploding biometrics.
    Zach Blas and the art of defacement

FESTIVAL

  • Sarah Heppekausen
    Politics with Punch Agathe.
    60 Years of the FIDENA Puppet Theatre Festival
  • Katja Spiess
    Echo space of contradictions.
    6th double discourse at FIDENA 2018
  • Sabine Leucht
    Big experiments for the little ones.
    The Munich theatre festival “Kuckuck”
  • Steffen Georgi
    Anachronism as potential.
    12th “Blickwechsel” Festival in Magdeburg
  • Mascha Erbelding
    My/a new place.
    Moving theatre experiences at the Figura Festival in Baden
  • Katja Spiess
    Of machines and their people.
    Impressions from the festival “Les Giboulées” 2018 in Strasbourg
  • Anke Meyer
    Festival in between.
    Ruhrtriennale 2018 between times and genres

CELEBRATING

  • Patrick Wildermann
    Borderless creations.
    “Anniversary Concert of Things” at the Schaubude

NEXT GENERATION

  • Marcus Kohlbach
    A search for nonsense that makes sense.
    Observations at the “die-wo-spielen” student festival

SIDELOOK

  • Tim Sandweg
    Re-Mapping.
    “The Critical Dictionary of Southeast Asia” by Ho Tzu Nyen

PUBLICATION

  • Tobias Prüwer
    Inventory.
    About the workbook “The State of Things”