double #23

Sex and the Puppet.
Kunstkörper und Frauenbild

Heft 2/2011

Festivals: Wien, Stuttgart, Montréal, Amsterdam
Tagung: Connecticut (USA)


Editorial

Vielleicht inspirierte uns der 100. Geburtstag des Weltfrauentages in diesem Jahr. Vielleicht war es das Thema des letzten double – Tod im Figurentheater – das einen lebenshungrigen Gegenpart forderte. Vielleicht lag es auch einfach an der Nähe des Amsterdamer PopArt-Festivalhotels zu einem der bekanntesten Rotlichtviertel der Welt. Dort, also beim Festival, haben wir uns nämlich getroffen, um das Thema für dieses Heft zu diskutieren – und es stand sehr schnell fest, dass es etwas mit Sex zu tun haben würde. Sex und Puppe – das sprang uns fast an, aus den kleinen, wenig idyllischen Puppenstuben mit den lebendigen, künstlich wirkenden Frauen in den Schaufenstern, die alle ihre Rollen spielen. »Die Puppen tanzen lassen« – die meistgehasste Phrase in Figurentheaterkreisen kommt auch aus der Nachtklubszene! Aber wo wird Frau zur Puppe? Oder Puppe zur Frau? Welche Projektionsmöglichkeiten eröffnet die »echte« Puppe, ihr »Kunstkörper« für sexuelle Sehnsüchte und Obsessionen? Welche aber auch für die weibliche Selbstvergewisserung, den Identifikationsprozess? Und wie gehen Frauen, Künstlerinnen damit um? Wo liegen die Extrempunkte von Imaginationen des Weiblichen?
Für dieses Heft haben wir unsere AutorInnen gebeten, aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln über Frauen- und Körperbilder, über Erotik und Sexualität im Figurentheater nachzudenken. Die Figurenspielerin Anne-Kathrin Klatt und die Regisseurin Jutta Schubert reflektieren über ihre gemeinsame Theaterarbeit, die sich mit faszinierenden Frauengestalten beschäftigt, sich aber nie als feministisches Theater verstand. Der Kunstwissenschaftler Otto Karl Werckmeister untersucht Antje Töpfers weibliche Sicht auf »Die Puppe« des surrealistischen Künstlers Hans Bellmer. Silvia Brendenal sprach mit Susanne Claus, Lutz Großmann und Jonas Knecht über Geschlechterstereotypen und Sexualität in ihrem Kasperstück »Grete L. und ihr K.«. Die jungen Künstlerinnen Anna Peschke und Lena Tempich suchen neue Ausdrucksformen in der Begegnung von Körper und Objekt. Die amerikanische Japanologin Dorothy Holland-Minkley beschäftigt sich mit den performativen Aspekten des Lebens mit Sex-Puppen, und Anke Meyer streift das Thema Sex und Politik am Beispiel eines Stückes von Thea Dorn.
Die Festivalberichte dieses Heftes führen uns nach Wien zum Festival für Figurenspielerinnen sowie nach Montréal und Amsterdam, wo die Festivalleiterinnen junges genre-übergreifendes Figurentheater präsentieren. Nach Stuttgart blicken wir in zwei Beiträgen: Stephanie Rinke, die neue Leiterin des Studiengangs Figurentheater schreibt über ihre Pläne für die Ausbildung. Und ein Nachruf würdigt das Lebenswerk des Gründers eben dieses Studiengangs: Prof. Albrecht Roser, einer der einflussreichsten Puppenspieler des 20. Jahrhunderts, verstarb im April im Alter von 88 Jahren.
Viele Frauen in diesem Heft! Möglicherweise waren 100 Weltfrauentage doch nicht ganz vergebens? Jedenfalls haben sich in den letzten 20 Jahren Figurenspielerinnen, Regisseurinnen und Theaterleiterinnen so nachhaltig etabliert, dass ihre Präsenz auf den Figurentheaterbühnen heute selbstverständlich wirkt – oder?

Mascha Erbelding und Anke Meyer

Summary

Sex and the puppet – it is principally the female body which has been displayed in puppet performances. But where does a woman become a puppet? Or a puppet a woman? What forms of possible projection are opened up by the ”genuine“ puppet, her “artificial body“ for sexual longings and obsessions? The same question can be asked with regard to female self-assertion and the process of identification. For this edition we have asked our contributors to give us their thoughts about eroticism and sexuality in puppet theatre. The puppeteer Anne-Kathrin Klatt and the director Jutta Schubert reflect on their work together which, although it deals with fascinating female figures, they have never regarded as feminist theatre. The art historian Otto Karl Werckmeister examines Antje Töpfer’s female view of “The Doll“ made by the surrealist artist, Hans Bellmer. Silvia Brendenal interviews Susanne Claus, Lutz Großmann and Jonas Knecht on gender stereotypes and sexuality in their “Kasper” play “Grete L. and her K.“. The young artists Anna Peschke and Lena Tempich look for new forms of expression in the meeting of body and object. The American Japanologist Dorothy Holland-Minkley examines the performative aspects of life with sex puppets, and Anke Meyer takes a look at sex and politics as exemplified in a play by Thea Dorn.

Inhalt

Thema

  • Lulu – Alma – Orlando
    oder Gibt es etwas Wichtigeres zwischen Menschen als Beziehungen? (Gespräch)
    von Jutta Schubert und Anne-Kathrin Klatt
  • Der Kunstkörper passt nicht
    Antje Töpfers Auseinandersetzung mit Bellmers »Puppe«
    von Otto Karl Werckmeister
  • Häutungsprozesse
    Ausgangsfragen eines Inszenierungsprojektes
    von Anna Peschke
  • Wolf werden
    Figuren einer Körperlandschaft
    von Lena Tempich
  • Aus Gretels Nähkästchen –
    Handpuppen-Erotik zwischen Abstraktion und Innigkeit. Silvia Brendenal im Gespräch mit Claus, Knecht und Großmann
    von Silvia Brendenal, Lutz Großmann, Jonas Knecht und Susanne Claus
  • Der Diven Unterleib
    Zu »Marleni – Preußische Diven blond wie Stahl« von Thea Dorn
    von Anke Meyer
  • Performance für Einen
    Die inszenierte Partnerschaft mit Sexpuppen
    von Dorothy Holland-Minkley

Festivals

  • Mit Quote und Erotik
    Das Internationale Figurentheaterfestival für Künstlerinnen in Wien
    von Stefan Bläske
  • Von Angesicht zu Angesicht
    Ein Theater- und Kunst-Festival in Stuttgart
    von Anke Meyer
  • »L’union fait la force«
    oder Zusammen sind wir stark. Das Festival »Les Trois Jours de Casteliers« in Montréal leistet Aufbauarbeit
    von Annette Dabs
  • Schöne Aussichten
    Eindrücke vom Pop Arts Festival in Amsterdam
    von Mascha Erbelding

Tagung

  • Puppen und Postdramatik
    Internationale Konferenz an der University of Connecticut, USA
    von Andrew Periale

Ausbildung

  • Ab heute alles anders?
    Der Studiengang Figurentheater in Stuttgart unter neuer Leitung
    von Stephanie Rinke

Inszenierungen

  • Ein Leben als Püppchen
    »Nun breche ich in Stücke« von compagnie WELS in den Uferstudios Berlin
    von Inga Jürgensen
  • Schatz hinter Glas
    »Die hässliche Herzogin Margarete Maultasch« am Puppentheater Halle
    von Michael Isenberg
  • Uhrwerk Purcell
    »König Arthur« am Theater Erfurt
    von

Medien

  • Image: Kreativportal
    Die neue Seite fidena.de
    von Katrin Gellrich

Nachruf

  • Ein großes Lebenswerk
    Zum Tod von Prof. Albrecht Roser
    von Evelyn Lattewitz

Notizen

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