Frankreich
Länderschwerpunkt
Heft 3/2010
Gespräch: Regie
Portrait: Puppentheater Plauen-Zwickau
Quoi de neuf? – Im Westen viel Neues? Leben wie Gott in Frankreich – diese, im Übrigen nur in Deutschland gebräuchliche Redewendung, kommt einem als deutscher »Programmateur« unwillkürlich in den Sinn, ist man auf einem der großen französischen Figurentheaterfestivals zu Gast. Hier kann man sich manchmal, umringt von Menschen, die angeregt und engagiert über ihre Kunst diskutieren, wirklich so fühlen, als sei das Figurentheater der Nabel der Welt. Der leichte Neid der Deutschen auf die »Kulturnation« Frankreich im Westen, wo Kunst einen viel höheren Stellenwert zu haben scheint, hat fast schon Tradition. Aber entspricht dieser Eindruck den Tatsachen? Oder idealisiert da der Blick des Nachbarn über den Zaun?
Wer könnte uns besser sagen, ob in Frankreich das Gras tatsächlich grüner ist für das Figurentheater, als diejenigen, die den Sprung über die Grenze gewagt haben? Wir haben daher die Figurentheater-Künstlerinnen Julika Mayer, Bettina Vielhaber und Ilka Schönbein – drei deutsch-französische Grenzgängerinnen – befragt, warum sie nach Frankreich gegangen sind, wo sie ihre künstlerische Heimat sehen – und ob sie den goldenen Boden der Puppenspielkunst gefunden haben. So haben wir unter anderem erfahren, dass es durchaus eine Polarisierung zwischen ausgefeilter französischer Bild-Ästhetik und deutscher eher emotionaler Publikumsansprache gibt. Quer dazu verhält sich unserer Meinung das Objekttheater, das ja als ursprünglich französischer Export schon seit mehr als 30 Jahren die europäische Puppenszene bereichert. Jean-Luc Mattéoli bringt in seinem Beitrag für uns die Ästhetik und Reichweite dieser Spielart auf den Punkt. Was es Neues gibt in Frankreich, haben uns Grégoire Callies, Sébastien Lauro Lillo und François Lazaro aus der Sicht von Mentoren über ihre Schützlinge berichtet. Diese mit staatlichen Mitteln gestützte Art der theaternahen Nachwuchsförderung setzt hier immens wichtige Impulse für das Figurentheater. Auf dem Nachwuchsfestival »Scènes ouvertes à l‘Insolite« in Paris, von dem Katja Spiess und Anke Meyer berichten, waren einige dieser geförderten Spieler präsent. In die gleiche Richtung zielt das ambitionierte französische Projekt eines Webportals für Figurentheater. Auch wieder staatlich gefördert, haben sich die großen Archive und Dokumentationszentren des Figurentheaters mit den wichtigsten französischen Theater-Compagnien zusammengetan, um das Puppenspiel ins Internet zu bringen. Frankreich setzt hier Impulse, die letztlich für ganz Europa eine Rolle spielen könnten. Möglich wurden diese Projekte durch die Zusammenarbeit aller Akteure der französischen Figurentheaterszene – zeigt uns Frankreich hier den Weg?
Aber wir schauen auch auf das Geschehen außerhalb Frankreichs: Im zweiten Teil des Heftes widmen wir uns weltweit agierenden Theatermachern, wie Stefanie Oberhoff und Wieland Jagodzinski, die mit ihren Arbeiten in Afghanistan und im Kongo zeigen, wie Kunst Hilfe zur Selbsthilfe sein kann. Wir besuchen internationale Gastspiele, die auf deutschen Festivals den Kultursommer bereicherten und figurentheatrale Momente produzierten, wo man sie zunächst gar nicht vermuten mochte. Und wir schauen auf Häuser, die fest in ihrer Region verwurzelt sind und an denen Leitungswechsel neue Impulse in etablierte Strukturen gebracht werden und sich Bestehendes weiterentwickelt.
Mascha Erbelding, Meike Wagner und Tim Sandweg
If you’re a German programme organiser attending a puppet theatre festival in France you can’t help having the impression that art enjoys a much higher status there than back in Germany: indeed, that they are living in clover! To find out whether this is true or not, as part of the principal theme dealt with in this issue we have interviewed three artists who are continually moving between the two countries. State support for puppet theatre in France runs along two lines: a so-called mentor project exists to support and promote young talent; in addition there is an ambitious project to set up an Internet portal for puppet theatre. In the second half of the issue we take a look at international work as well as the theatre which is deeply rooted in its regions and, after a change at the top, is combining new impulses with traditional approaches.
Frankreich Länderschwerpunkt
- Grenzgängerinnen: Drei Positionen zu Leben und Arbeiten zwischen Deutschland und Frankreich
Bettina Vielhaber: Kultur mit einem großen »K«
Mascha Erbelding / Julika Mayer: Heimat und Heimatlosigkeit
Ilka Schönbein: In den Zwischenzonen der Theaterkultur
von Ilka Schönbein, Mascha Erbelding, Julika Mayer und Bettina Vielhaber - Das Objekttheater erinnert sich
Der Schauspieler im Objekttheater als »Jongleur«
von Jean-Luc Mattéoli - Dem Nachwuchs auf die Sprünge helfen: Neue Wege der künstlerischen Begleitung für junge Figurenspieler
Sébastien Lauro Lillo: Auf der Schwelle
François Lazaro: Von der Reinheit des Seins zur Katastrophe der Welt
Grégoire Callies: Ein gemeinsamer Weg
von Grégoire Callies, Sébastien Lauro Lillo und François Lazaro - Debut
Junge Talente bei den »Scènes ouvertes à l’Insolite« in Paris
von Anke Meyer und Katja Spiess - Ein Portal für das Figurentheater
Mascha Erbelding und Meike Wagner im Gespräch mit Raphaèle Fleury über das geplante »Portail des Arts de la Marionnette«
von Meike Wagner, Mascha Erbelding und Raphaèle Fleury
Gespräch
- Eigentlich ist schon alles da
Der Regisseur Hendrik Mannes im Gespräch
von Silvia Brendenal und Hendrik Mannes
Festival
- Belebte Bauten und Marionetten-Material
Puppen, Dinge und Objekte bei »Theater der Welt«
von Anna Teuwen - Laut und leise
Betrachtungen zur FIDENA 2010
von Anna Peschke
Politik
- Brücken bauen und Löcher bohren
Ein Gespräch über interkulturelle Theaterarbeit in Krisengebieten
von Wieland Jagodzinski, Christian Bollow und Stefanie Oberhoff
Portrait
- Wildwechsel
Betrachtungen: Mit der Spielzeit 2010/11 tritt Matthias Thieme (34) seinen Posten als »Puppentheaterdirektor« am Theater Plauen-Zwickau an
von Michael Isenberg
Inszenierungen
- Vorgeburtliches vom Wunder des Lebens
Iris Meinhardts »prolog. expedition in verlorene sphären« im Stuttgarter FITZ!
von Jutta Schubert - Blick ins Kalte
»Fräulein Smillas Gespür für Schnee« am Theater Naumburg
von Anke Meyer
Nachruf
- Zwischen den Welten
Zum Tod von Hoichi Okamoto
von Christoph Lepschy
Notizen
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