Bitte lächeln!
Masken, Puppen und Figurentheater in der Fotografie
Heft 1/2014
Festivals: Charleville-Mézières, Berlin, Stuttgart …
Ausstellungen: Dessau, München
Bitte lächeln!
Masken, Puppen und Figurentheater in der Fotografie
Heft 1/2014
Festivals: Charleville-Mézières, Berlin, Stuttgart …
Ausstellungen: Dessau, München
Theaterkunst im Kassenscanner.
Wie „der Markt“ das Puppentheater regelt
Heft 2/2013
Festivals: Erlangen/Nürnberg/Fürth/Schwabach, Apt (Frankreich), Hannover
Gespräch: Studiengang Figurentheater
Überforderung(s)Kunst.
Figurentheater zwischen Grenzerfahrung und Erschöpfung
Heft 1/2013
Inszenierungen: Berlin, Dresden, Leipzig
Stippvisite: Burkina Faso
Am Ende des Fadens…?
Heinrich von Kleists „Über das Marionettentheater“ wiedergelesen
Heft 2/2012
Essay: Points critics (Brunella Eruli)
Stippvisite: Iran
Wo bin ich hingeraten?
Räumliche und andere (Des)Orientierungen
Heft 1/2012
Inszenierungen: Tübingen, Wien, Halle
Essay: The Madness of Puppets
Wo geht’s lang? Mistkäfer, so eine aktuelle wissenschaftliche Erkenntnis, tanzen nicht aus Lust und Tollerei auf ihren frisch gerollten Mistkugeln. Sie drehen sich nicht einfach wild und wahllos, sondern prüfen en passant anhand von Sonnenstand und Landmarken die Richtung, damit sie anschließend umso zielsicherer vorankommen.
Ähnlich ging es uns beim Vorbereiten dieser ersten Ausgabe von double mit neuem Layout, neuem Umfang und neuer Erscheinungsweise: nach vielem Um- und Umdrehen und mehreren Schwindelanfällen erscheint das grafisch neu gestaltete Heft ab jetzt zweimal im Jahr, im April und im November, und legt dafür mit 56 Seiten deutlich an Umfang zu. In double 1/2012 wird erstmals ein Essay in Originalsprache abgedruckt, es gibt zusätzlich zum Thema einen Länderschwerpunkt und mit der double-kurzkritik auf www.fidena.de eröffnen wir gleichzeitig eine neue Online-Rubrik. Das alles bedeutet Neuorientierung für Leser und Redaktion gleichermaßen – mit der Chance, auch neue Sichtweisen auf bekanntes Gelände zu gewinnen.
Orientierung und deren Verlust, die Desorientierung, sind zugleich auch Thema dieser Ausgabe. Mit (des)orientierenden Medien, die unsere Raum- und Zeitwahrnehmung zunehmend beeinflussen, der Verwirrung und dem Vergnügen, das der Orientierungsverlust im Fiktionalen bereiten kann, befasst sich die Medienwissenschaftlerin Julia Eckel. Durchs Dunkel der Installation h.g. flaniert der Dramaturg Stefan Bläske und erhellt es im Gespräch mit der Performerin Cristina Galbiati. Der ungarische Objekttheaterkünstler Gyula Molnàr begibt sich in Gedanken noch einmal auf einen Audio-Parcours mit seltsamen Zeitverschiebungen, und der Puppenspieler Florian Feisel lässt die Verirrungen bei der Entwicklung seines Kunst-Cache auf der FIDENA 2011 Revue passieren, mit einem Exkurs über Navigationssysteme. Dies alles scheint dem Tanz auf der Mistkugel gar nicht so fern – in der Verbindung von ästhetischem Vergnügen, orientierender Bewegung und körperbetonter Raumwahrnehmung, wie sie auch bei den künstlerischen Spaziergängen oder »ambulatorischen« Performances erlebt werden konnte.
Ein zweiter Heftschwerpunkt widmet sich dem Puppentheater in der Schweiz. Dieses kann auf eine illustre Geschichte zurückblicken – frühe Inszenierungen mit abstrakten Marionetten von Sophie Taeuber und Otto Morach gingen in die Kunstgeschichte ein –, heute bietet sich eine vielfältige Landschaft zwischen Tradition, theatraler Recherche und Performance bzw. Installation dar, wie die Beiträge im Spezial: Schweiz anschaulich belegen. Ermöglicht hat diesen Teil die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia.
Kenneth Gross’ Essay über den speziellen Wahnsinn der Puppe und ihren rätselhaften Hunger führt hin zu den exzentrischen Puppen des figurentheater tübingen (Glückwunsch zum 20.!), weiter zu Inszenierungsbesprechungen und Festivalberichten. Das Gespräch mit einer jungen dänischen Gruppe ergänzt die poetische Reflexion über junges Figurentheater … und last not least schließen an einen Tagungsbericht zwei Buchrezensionen an.
Das ist viel. Behalten Sie den Überblick! Legen Sie zwischendurch ein Tänzchen ein! Machen Sie es wie der der Skarabäus – oder wie der Berliner Künstler Michael H. Rohde, der uns das wunderbare Titelbild beschert hat: Schauen Sie sich das alles mal von unten an! In diesem Sinne: Viel Vergnügen beim Navigieren durch das neue double!
Die Redaktion
Where to now? double has realigned itself. The magazine not only has a new graphic design, from now on it will be appearing twice a year in April and November in a much larger edition of 56 pages. For the first time ever double 1/2012 is publishing an essay in its original language. In addition to having a central theme the magazine will also be concentrating on a particular country and publishing two book reviews. All this means that readers and the editors alike will have to reorientate themselves and, with a bit of luck, have the opportunity to gain new perspectives on well-known territory.
Orientation and its loss, disorientation, are equally one of the themes in this edition: disorientating media which increasingly influence our perception of space and time; the confusion and pleasure that can be caused by the loss of orientation in fictional areas; darkness and labyrinthine rooms; an audio track with strange time shifts; aberrations in developing an art cache and creative walks.
Another major theme in this edition is dedicated to puppet theatre in Switzerland. The articles in the section entitled Spezial: Schweiz will give readers a graphic idea of a multifaceted theatrical topography caught between tradition, theatrical research and performance/installation.
Kenneth Gross’s essay on the special madness of puppets and their enigmatic hunger leads him to the eccentric puppets of the figurentheater tübingen (congratulations on your 20th !) and later on, to reviews, festival reports, a working discussion … and and…
There is so much to get lost in! Just don’t get disorientated! Have fun navigating through the articles!
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Der Große Auftritt.
Die Puppe auf der Schauspielbühne
Heft 3/2011
Ausbildung: Charleville-Mézières
Julibläum: Bautzen
Kreative Kollaborateure: Der große Auftritt der Puppe auf der Schauspiel-Bühne erhält viel Aufmerksamkeit. Auch von der Schauspiel-Kritik. Wenn doch dort nicht immer dieser bestgehasste Satz der Puppenszene auftauchen würde: »Die Puppen tanzen lassen…« In allen Variationen geistert er immer wieder durch die Journaille, wenn Schauspiel-Kritiker in Wort zu fassen suchen, was sie da puppentheatral geboten bekamen. Das ist ärgerlich, denn hier hinkt die Theorie der Praxis gewaltig hinterher. Die Theaterkünstler, Schauspieler, Regisseure und Dramaturgen befassen sich seit einiger Zeit mit der Integration von Puppenfiguren und puppentheatraler Ästhetik auf der Schauspiel-Bühne. Was ist da gewachsen in den letzten Jahren? Wie sieht konkret die Zusammenarbeit zwischen Puppenspieler und Schauspiel-Regisseuren aus? Welche Möglichkeiten bietet das Schauspiel für die Puppe und umgekehrt?
Christoph Lepschy hat sich für uns Gedanken gemacht über das grundsätzliche Verhältnis von Schauspiel und Puppe in ästhetischer und institutioneller Hinsicht. Welche Hindernisse gilt es bei einer Zusammenarbeit zu überwinden und welche Potentiale tun sich auf? Diese Fragen sind auch leitend für die dramaturgische Analyse von Meike Wagner, die anhand von einigen Schauspielinszenierungen mit Puppenspiel versucht, einige Tendenzen der Schauspiel-Regie zwischen Figurendramaturgie und spektakulärem Bildertheater aufzuzeigen. Wie die Arbeit für Puppenspielerinnen auf der Schauspielbühne konkret aussieht erfahren wir durch die Beiträge von Anke Meyer, Meike Wagner und Tim Sandweg. In Interviews geben die Puppenspielerinnen Julia Giesbert und Inga Schmidt Einsichten in das »Spielen für die große Bühne«. Dann geht es um die Theaterarbeit von Suse Wächter, die schon seit vielen Jahren die künstlerische Position der Puppe im Schauspiel behauptet und gestaltet. In einem Gespräch gab sie den Autoren Anke Meyer und Meike Wagner Einblicke in ihre künstlerischen Konzeptionen.
Auch durch den zweiten Teil des Heftes ziehen sich Betrachtungen zu Puppen auf großen Bühnen und zu der Kombination von Schau- und Puppenspiel: Unsere Autoren besuchten Premieren u.a. in Dresden, München sowie ein Work-in-Progress in Groningen, berichten vom Jubiläum der Puppenspielsparte am Deutsch-Sorbischen Volkstheater Bautzen und würdigen den in diesem Sommer verstorbenen Regisseur Horst Hawemann, der sich ebenfalls zwischen den Theaterwelten bewegte. Abgerundet wird der Blick auf aktuelle Tendenzen in der Figurentheaterszene mit Berichten über die Festivals in Erlangen und Magdeburg, über die Diplomvorspiele an der ESNAM in Charleville-Mézières und mit Beiträgen zum Wachstumssektor Theater von Anfang an.
Meike Wagner und Tim Sandweg
For some time now theatre artists, actors, directors and dramaturgs have been considering how to integrate puppets and puppetry with actors on stage. What have been the developments in the past few years? What does the cooperation between puppeteers and acting directors look like in concrete terms? What opportunities does acting offered to puppetry and vice versa? The theme section of this edition features articles dealing with these questions. On the one hand there are theoretical and analytical reflections on the basic relationship between acting and puppetry with regard to institutions and aesthetics; and strategies used by acting directors when dealing with puppets. On the other hand the authors explore what this work looks like in a concrete fashion in an interview with two puppeteers, Julia Giesbert and Inga Schmidt, and an article on the puppet maker and puppeteer Suse Wächter. The second section of the magazine uses reports and reviews to look at current tendencies in the puppet theatre scene.
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Sex and the Puppet.
Kunstkörper und Frauenbild
Heft 2/2011
Festivals: Wien, Stuttgart, Montréal, Amsterdam
Tagung: Connecticut (USA)
Vielleicht inspirierte uns der 100. Geburtstag des Weltfrauentages in diesem Jahr. Vielleicht war es das Thema des letzten double – Tod im Figurentheater – das einen lebenshungrigen Gegenpart forderte. Vielleicht lag es auch einfach an der Nähe des Amsterdamer PopArt-Festivalhotels zu einem der bekanntesten Rotlichtviertel der Welt. Dort, also beim Festival, haben wir uns nämlich getroffen, um das Thema für dieses Heft zu diskutieren – und es stand sehr schnell fest, dass es etwas mit Sex zu tun haben würde. Sex und Puppe – das sprang uns fast an, aus den kleinen, wenig idyllischen Puppenstuben mit den lebendigen, künstlich wirkenden Frauen in den Schaufenstern, die alle ihre Rollen spielen. »Die Puppen tanzen lassen« – die meistgehasste Phrase in Figurentheaterkreisen kommt auch aus der Nachtklubszene! Aber wo wird Frau zur Puppe? Oder Puppe zur Frau? Welche Projektionsmöglichkeiten eröffnet die »echte« Puppe, ihr »Kunstkörper« für sexuelle Sehnsüchte und Obsessionen? Welche aber auch für die weibliche Selbstvergewisserung, den Identifikationsprozess? Und wie gehen Frauen, Künstlerinnen damit um? Wo liegen die Extrempunkte von Imaginationen des Weiblichen?
Für dieses Heft haben wir unsere AutorInnen gebeten, aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln über Frauen- und Körperbilder, über Erotik und Sexualität im Figurentheater nachzudenken. Die Figurenspielerin Anne-Kathrin Klatt und die Regisseurin Jutta Schubert reflektieren über ihre gemeinsame Theaterarbeit, die sich mit faszinierenden Frauengestalten beschäftigt, sich aber nie als feministisches Theater verstand. Der Kunstwissenschaftler Otto Karl Werckmeister untersucht Antje Töpfers weibliche Sicht auf »Die Puppe« des surrealistischen Künstlers Hans Bellmer. Silvia Brendenal sprach mit Susanne Claus, Lutz Großmann und Jonas Knecht über Geschlechterstereotypen und Sexualität in ihrem Kasperstück »Grete L. und ihr K.«. Die jungen Künstlerinnen Anna Peschke und Lena Tempich suchen neue Ausdrucksformen in der Begegnung von Körper und Objekt. Die amerikanische Japanologin Dorothy Holland-Minkley beschäftigt sich mit den performativen Aspekten des Lebens mit Sex-Puppen, und Anke Meyer streift das Thema Sex und Politik am Beispiel eines Stückes von Thea Dorn.
Die Festivalberichte dieses Heftes führen uns nach Wien zum Festival für Figurenspielerinnen sowie nach Montréal und Amsterdam, wo die Festivalleiterinnen junges genre-übergreifendes Figurentheater präsentieren. Nach Stuttgart blicken wir in zwei Beiträgen: Stephanie Rinke, die neue Leiterin des Studiengangs Figurentheater schreibt über ihre Pläne für die Ausbildung. Und ein Nachruf würdigt das Lebenswerk des Gründers eben dieses Studiengangs: Prof. Albrecht Roser, einer der einflussreichsten Puppenspieler des 20. Jahrhunderts, verstarb im April im Alter von 88 Jahren.
Viele Frauen in diesem Heft! Möglicherweise waren 100 Weltfrauentage doch nicht ganz vergebens? Jedenfalls haben sich in den letzten 20 Jahren Figurenspielerinnen, Regisseurinnen und Theaterleiterinnen so nachhaltig etabliert, dass ihre Präsenz auf den Figurentheaterbühnen heute selbstverständlich wirkt – oder?
Mascha Erbelding und Anke Meyer
Sex and the puppet – it is principally the female body which has been displayed in puppet performances. But where does a woman become a puppet? Or a puppet a woman? What forms of possible projection are opened up by the ”genuine“ puppet, her “artificial body“ for sexual longings and obsessions? The same question can be asked with regard to female self-assertion and the process of identification. For this edition we have asked our contributors to give us their thoughts about eroticism and sexuality in puppet theatre. The puppeteer Anne-Kathrin Klatt and the director Jutta Schubert reflect on their work together which, although it deals with fascinating female figures, they have never regarded as feminist theatre. The art historian Otto Karl Werckmeister examines Antje Töpfer’s female view of “The Doll“ made by the surrealist artist, Hans Bellmer. Silvia Brendenal interviews Susanne Claus, Lutz Großmann and Jonas Knecht on gender stereotypes and sexuality in their “Kasper” play “Grete L. and her K.“. The young artists Anna Peschke and Lena Tempich look for new forms of expression in the meeting of body and object. The American Japanologist Dorothy Holland-Minkley examines the performative aspects of life with sex puppets, and Anke Meyer takes a look at sex and politics as exemplified in a play by Thea Dorn.
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Der ständige Begleiter:
Tod und Figurentheater
Heft 1/2011
Festivals: Berlin, Krakau, Avignon
Buchbesprechung: Thinking through Puppets
»Eine Figur lebt in dem Moment, in dem der Zuschauer sie als lebendig akzeptiert, sie lebt im Zuschauer und nicht auf der Bühne. Sie stirbt nur, wenn der Zuschauer sie vergisst.« (Frank Soehnle).– Durch die Existenz des Todes ist der Sinn des Lebens noch nicht erklärt, wohl aber der Sinn des Begriffs »Leben«, und das ist doch schon einmal ein Anfang. Ist etwas belebt oder unbelebt? Eine Kernfrage der Puppenspielkunst, der Animation, und deshalb auch ein häufiges Thema in vielen Inszenierungen des zeitgenössischen Figurentheaters. Drei von acht Inszenierungen beim Berliner Uraufführungsfestival »Kreationen«, über das wir in diesem Heft berichten, beschäftigen sich explizit mit dem Tod. Zufall? Der Tod ist als »ständiger Begleiter« aus dem Puppen- und Figurentheater nicht wegzudenken: Er gehört zum archetypischen Figurenrepertoire der Theaterform und verkörpert zugleich ein dem Genre eingeschriebenes wirkungsästhetisches Prinzip. Der Moment der Animation, der »Beseelung« einer Figur, bedarf zwingend auch des Gegenteils: des zunächst als tot und dinghaft wahrgenommenen Objekts. Eine kurze Einführung in die Geschichte der engen Verbindung von Todesdarstellungen und Figurentheater bis ins 20. Jahrhundert gibt Mascha Erbelding.
Die höhere Lebenserwartung, der medizinische Fortschritt und eine häufig auf »Funktionalität« reduzierte Definition von sinnhaftem Leben, lassen uns das Altern und Sterben zunehmend als lästig und unerwünscht verdrängen. Crischa Ohler vom Theater mini-art, das die Themen Sterben und Tod seit Jahren auch in Kinderinszenierungen aufgreift, berichtet von ihren Erfahrungen auf diesem Gebiet. Rituale sind Bewältigungsstrategien der Menschen, und in traditionellen Gesellschaften waren sie über lange Zeiträume stabil und selbstverständlich, boten klar geregelte Umgangs- und Handlungsabläufe. Für den Verlust dieser Konventionen gibt es bislang keine einheitlichen Alternativen, eher eine diffuse Suche, die aktuell den Tod auch als Pop-Vision stilisiert – meint Jelena Susac. Im Spannungsfeld von erotischem Verlangen und Tod entstehen die Inszenierungen der französischen Puppenspielerin und Choreographin Gisèle Vienne, über deren Arbeit Chantal Hurault einen faszinierenden Artikel schrieb. Der »unmögliche Körper« der Puppe, der auf provozierende Weise Totes und Lebendiges in sich zu vereinigen vermag, steht dabei in Zentrum. Auch in llka Schönbeins Theater ist die Bedrohung durch den Tod stets präsent. Die Theaterpuppe ist für sie jedoch vor allem eine tröstende Instanz, entstanden aus dem in kultischen Ritualen verankerten Versuch, mit Hilfe einer Maske oder Puppe dem Tod noch einmal ein Stück Leben zu entreißen. Jenseitsvorstellungen und insbesondere Höllenvisionen sind in vielen Religionen überaus genüsslich ausgemalt. Robin Erik Ruizendaal gibt Einblick in ein höllisch farbenfrohes chinesisches Schattentheater. Vergnügliche Reise durch ein ernstes Thema wünscht die double-Redaktion!
Annette Dabs, Katja Spiess
Is something animated or is it lifeless? Animation is a core question in the art of puppetry. It is difficult to imagine puppet theatre without Death as a “constant companion”. It belongs to the repertoire of its archetypical characters. That said “death” also embodies an inherent principle in the genre which is aesthetic in its effect. In addition, the moment of animation, the “ensoulment“ of the puppet undeniably necessitates its opposite – the object which is initially perceived as dead material. Mascha Erbelding gives a brief introduction into the history of the close links between the presentation of death and puppet theatre to the 20th century, whilst Robin Erik Ruizendaal introduces readers to the Chinese tradition of the “Theatre of Hell”. The theatre maker Crischa Ohler is of the opinion that contemporary theatre should be about breaking the social taboos of death and dying and developing a new sense of responsibility, whereas the young puppeteer Jelena Susac regards death as already being on the way towards a new pop vision. The shows presented by the French puppeteer and choreographer Gisèle Vienne are caught between erotic desire and death, and Chantal Hurault has provided a fascinating article on the subject. The threat of death is also constantly present in llka Schönbein’s theatre. For her the puppet is primarily a consoling instance created from the cultic wish to create a “regent” for the dead.
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Frankreich
Länderschwerpunkt
Heft 3/2010
Gespräch: Regie
Portrait: Puppentheater Plauen-Zwickau
Quoi de neuf? – Im Westen viel Neues? Leben wie Gott in Frankreich – diese, im Übrigen nur in Deutschland gebräuchliche Redewendung, kommt einem als deutscher »Programmateur« unwillkürlich in den Sinn, ist man auf einem der großen französischen Figurentheaterfestivals zu Gast. Hier kann man sich manchmal, umringt von Menschen, die angeregt und engagiert über ihre Kunst diskutieren, wirklich so fühlen, als sei das Figurentheater der Nabel der Welt. Der leichte Neid der Deutschen auf die »Kulturnation« Frankreich im Westen, wo Kunst einen viel höheren Stellenwert zu haben scheint, hat fast schon Tradition. Aber entspricht dieser Eindruck den Tatsachen? Oder idealisiert da der Blick des Nachbarn über den Zaun?
Wer könnte uns besser sagen, ob in Frankreich das Gras tatsächlich grüner ist für das Figurentheater, als diejenigen, die den Sprung über die Grenze gewagt haben? Wir haben daher die Figurentheater-Künstlerinnen Julika Mayer, Bettina Vielhaber und Ilka Schönbein – drei deutsch-französische Grenzgängerinnen – befragt, warum sie nach Frankreich gegangen sind, wo sie ihre künstlerische Heimat sehen – und ob sie den goldenen Boden der Puppenspielkunst gefunden haben. So haben wir unter anderem erfahren, dass es durchaus eine Polarisierung zwischen ausgefeilter französischer Bild-Ästhetik und deutscher eher emotionaler Publikumsansprache gibt. Quer dazu verhält sich unserer Meinung das Objekttheater, das ja als ursprünglich französischer Export schon seit mehr als 30 Jahren die europäische Puppenszene bereichert. Jean-Luc Mattéoli bringt in seinem Beitrag für uns die Ästhetik und Reichweite dieser Spielart auf den Punkt. Was es Neues gibt in Frankreich, haben uns Grégoire Callies, Sébastien Lauro Lillo und François Lazaro aus der Sicht von Mentoren über ihre Schützlinge berichtet. Diese mit staatlichen Mitteln gestützte Art der theaternahen Nachwuchsförderung setzt hier immens wichtige Impulse für das Figurentheater. Auf dem Nachwuchsfestival »Scènes ouvertes à l‘Insolite« in Paris, von dem Katja Spiess und Anke Meyer berichten, waren einige dieser geförderten Spieler präsent. In die gleiche Richtung zielt das ambitionierte französische Projekt eines Webportals für Figurentheater. Auch wieder staatlich gefördert, haben sich die großen Archive und Dokumentationszentren des Figurentheaters mit den wichtigsten französischen Theater-Compagnien zusammengetan, um das Puppenspiel ins Internet zu bringen. Frankreich setzt hier Impulse, die letztlich für ganz Europa eine Rolle spielen könnten. Möglich wurden diese Projekte durch die Zusammenarbeit aller Akteure der französischen Figurentheaterszene – zeigt uns Frankreich hier den Weg?
Aber wir schauen auch auf das Geschehen außerhalb Frankreichs: Im zweiten Teil des Heftes widmen wir uns weltweit agierenden Theatermachern, wie Stefanie Oberhoff und Wieland Jagodzinski, die mit ihren Arbeiten in Afghanistan und im Kongo zeigen, wie Kunst Hilfe zur Selbsthilfe sein kann. Wir besuchen internationale Gastspiele, die auf deutschen Festivals den Kultursommer bereicherten und figurentheatrale Momente produzierten, wo man sie zunächst gar nicht vermuten mochte. Und wir schauen auf Häuser, die fest in ihrer Region verwurzelt sind und an denen Leitungswechsel neue Impulse in etablierte Strukturen gebracht werden und sich Bestehendes weiterentwickelt.
Mascha Erbelding, Meike Wagner und Tim Sandweg
If you’re a German programme organiser attending a puppet theatre festival in France you can’t help having the impression that art enjoys a much higher status there than back in Germany: indeed, that they are living in clover! To find out whether this is true or not, as part of the principal theme dealt with in this issue we have interviewed three artists who are continually moving between the two countries. State support for puppet theatre in France runs along two lines: a so-called mentor project exists to support and promote young talent; in addition there is an ambitious project to set up an Internet portal for puppet theatre. In the second half of the issue we take a look at international work as well as the theatre which is deeply rooted in its regions and, after a change at the top, is combining new impulses with traditional approaches.
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Politik im Spiel
Heft 2/2010
Festivals: Chōfu (Japan), Straßburg, Erlangen …
Buchbesprechung: Encyclopédie Mondiale des Arts de la Marionnette”
»Die Marionette will nicht mehr«, titelte jüngst die Süddeutsche – nicht im Feuilleton, sondern im Politikteil. Denn die besten Puppen, Puppenspieler und Strippenzieher finden sich, natürlich, unter Politikern. Das ist bekannt, die Marionetten-Metapher oft benutzt und überstrapaziert. Wenn nun aber die Politik ein Puppenspiel ist, wie politisch ist das Puppentheater? Und wie lässt sich – angelehnt an Jean-Luc Godard – nicht nur »politisches Theater« machen, sondern »politisch« Theater machen? Wenn es über das bloße Erzählen politischer Inhalte hinaus eine Form des politischen Spielens gibt, wie wird sie im Theater mit Dingen umgesetzt? Wie spielen Figurentheatermacher die Abhängigkeit zwischen Ding und Mensch für ihre Zwecke aus? Wie politisch ist das Figuren-, Puppen- und Objekttheater? Wir haben Künstler um kurze Statements zu der Frage gebeten, ob sie politisch(es) Theater machen, und falls ja, wie. Und ob Theater mit Dingen besonders politisch ist. Und bekamen Antworten. Florian Feisel, Peter Schumann, Astrid Griesbach, Florian Loycke, Johanna Ehlers, Yvette Coetzee, Neville Tranter, Ulrike Quade und Ben J. Riepe geben Auskunft: Übers Strippenziehen und Macht-Spielen. Über »die lächerliche Puppenspielerei im Angesichte des gewaltigen Weltmarktes«. Über das Fressen und Gefressenwerden. Über den Abbau von Distanz und das Zulassen des Unvermittelten. Und über die produktive Widerständigkeit des Materials.
Aus theaterwissenschaftlicher Perspektive werden die theoretischen Hintergründe der Debatte reflektiert. Kathi Loch beschreibt als politischen Akt, wie sich der Mensch der Dinge bemächtigt und sie in ein Abhängigkeitsverhältnis zwingt. Philipp Schulte untersucht anhand einer Performance der belgischen Künstlerin Marijs Boulogne, wie diese Bemächtigung auch über die Setzungen von Sprache, Authentifizierung und Ritual erfolgen kann. Anhand der Figur des König Ubu beleuchtet Helga Finter die historische Dimension des Politischen im Theater mit Maske und Marionette, und zeigt, wie Alfred Jarry aufbauend auf Ästhetiken von Kasperltheater und Commedia dell‘arte eine Ethik des neuen Theaters entwickelt. Sebastian Blasius sieht im oszillierenden Blick auf das zergliederte Puppenhafte die permanente Aufforderung, unser Streben nach »Nahtlosigkeit« und »Ganzheit« als einen Akt der Gewalt zu erkennen und den Blick nach Alternativen offen zu halten.
Das Thema hinterlässt seine Spuren auch im zweiten Heftteil. Das Politikum der Subventionskürzung und deren Auswirkung auf die deutsche Festivallandschaft diskutiert Katja Spiess mit den beiden Festivalmachern Annette Dabs und Bodo Birk. Und noch ein politisches Spiel: Wie sich die Widersprüche zwischen interkulturellem Kunstverständnis und fragwürdigen Einreisebestimmungen in der Festivalpraxis niederschlagen, beschreibt Anke Meyer in ihrem Bericht über das Kindertheaterfestival »Hellwach«. Fast wie ein kleines Wunder mutet es da an, dass sich Künstler trotz aller zu erwartenden Hindernisse immer wieder dem Wagnis politisch engagierter, interkultureller Theaterarbeit stellen. Ein Schwerpunkt im nächsten Heft wird daher zwei dieser Initiativen gewidmet sein. Denn Globalisierung ist mehr als ökonomisches Strippenziehen.
Stefan Bläske, Anna Teuwen, Katja Spiess
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