Regie?
Zwischen Autor*innenschaft und Außenblick
Heft 2/2021
Festivals: Digitale Ausgabe in Erlangen
Gespräch: Über Lockdown, Panik und Kunst in Indien
Regie?
Zwischen Autor*innenschaft und Außenblick
Was uns in diesem Heftschwerpunkt beschäftigt hat, kann schlicht auf die Losung „Regie: Fragezeichen“ heruntergebrochen werden. Denn neben dem Aspekt der künstlerischen Profilierung in den besonderen Produktionsprozessen des Figurentheaters stellen sich grundsätzliche Fragen an Anspruch und Bedeutung, an die sozialen und politischen Dimensionen von Regie immer drängender. Letzteres geht nicht nur mit der allgemein diskutierten Infragestellung von (missbrauchten) Hierarchien im Theaterbetrieb einher, sondern auch mit produktionsästhetischen Eigenarten eines Theaters der Dinge und den dynamischen Veränderungen, die dieses zur Zeit erfährt. Es betrifft zudem nicht nur das Selbstverständnis der künstlerischen Akteur*innen oder den kulturhistorischen Kontext, sondern auch das Rezeptionsverhalten bzw. von außen herangetragene Erwartungen und Ansprüche an die Regieposition. So zeichnet André Studt im Auftakt Verbindungslinien von diversen heutigen Regie-Positionen zur historischen Avantgarde und zum Beginn der Arbeitsteilung im Theater nach und befragt in einem zweiten Beitrag den Lichtkünstler und Regisseur Joachim Fleischer nach essentiellen Unterschieden zwischen „Regie“ und „Inszenierungsbegleitung“. Anforderungen an eine Regieausbildung für ein Theater der Dinge sind Thema eines Gesprächs von Meike Wagner mit Professor*innen der Studiengänge für Figurentheater (Stuttgart) und für Zeitgenössische Puppenspielkunst (Berlin). Der Puppenspieler und Regisseur Moritz Sostmann reflektiert über seine Arbeit als Hausregisseur am Schauspiel Köln und Annika Gloystein versucht Kontakt mit einem regieführenden Bären (sic!) aufzunehmen. Über kooperative Arbeitsprozesse, Puppen im postkolonialen Kontext und die Rolle der Regie spricht Sabine Leucht mit dem Regisseur Jan-Christoph Gockel und dem Puppengestalter und Darsteller Michael Pietsch. Anlässlich seiner ersten Online-Inszenierung denkt Franz Schrörs über Analogien zwischen dem Schreiben von Computerspielprogrammen und Regieführen nach. Mit einem kursorischen Überblick der vorwiegend in Dänemark inszenierenden Regisseurin Catherine Poher über die Grundprinzipien ihrer künstlerischen Arbeit endet der Thementeil.
Auch im zweiten Teil des Heftes scheint das Thema Regie immer wieder auf. Etwa wenn Julia Opitz sich anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Papiertheaters Nürnberg mit Johannes Volkmanns Konzept der „Gesellschaftsinszenierung“ beschäftigt, im Schweizer Fenster der junge Puppentheater-Macher Sebastian Ryser über seine erste Regiarbeit in St. Gallen spricht oder sich Tom Mustroph in seinem Bericht über den digitalen Teil des Internationalen Figurentheaterfestivals in Erlangen überlegt, was eine gute Inszenierung für den digitalen Raum ausmacht. Mit digitalen Formaten befassen sich noch weitere Texte. Mareike Gaubitz etwa hat für double das digitale Symposium zu „Race and Alterity in Puppetry“ besucht und fragt, wie sich „Critical Puppetry“ auch in Deutschland praktizieren lässt.
Dieses Heft widmen wir unserem kürzlich verstorbenen Kollegen und double-Mitgründer Manfred Wegner.
Mascha Erbelding, Anke Meyer und André Studt
Thema
Regie?
Zwischen Autor*innenschaft und Außenblick
- Andre Studt
Regie! Regie?
Mutmaßungen zu einem scheinbar ungeliebten Begriff - Annika Gloystein
Wir sind der Bär
Improvisation uber eine Forschung von Lehmann und Wenzel + Franziska Merkel - Moritz Sostmann
Langjähriger Dialog
Anmerkungen zur Arbeit als Hausregisseur - Wenn der Spürhund zur Jagd ruft und die Hebamme bereitsteht
Ein Gespräch über Regie im Figurentheater - Franziska Burger
Wahrnehmungslücke?
Regie im solistischen Figurentheater - Von der Lächerlichkeit kolonialer Gesten und den vielen Versionen der „Häkeldecke“
Sabine Leucht im Gespräch mit Jan-Christoph Gockel und Michael Pietsch - Joachim Fleischer
Regie oder Künstlerische Begleitung?
Inszenierungsprozesse differenziert abbilden - Franz Schrörs
Raum für Zufälle – unter Ausschluss von Beliebigkeit
Zur Rolle von Spielregeln in der Online-Inszenierung „Zimmer ohne Aussicht“ - Catherine Poher
Niemals erklären
Arbeitsprinzipien einer Regisseurin
Festival
- Tom Mustroph
Material, Interaktion, Intimität
Die digitale Ausgabe des Internationalen Figurentheaterfestivals Erlangen im Mai 2021 - Fantasie als Schutzraum
Michael Lurse im Gespräch mit Anurupa Roy bei „hellwach digital“
Jubeln
- Tobias Prüwer
Rumms in der Ofenfabrik
Der Westflügel Leipzig feiert 15-jahriges Bestehen mit einer Premiere und einem kleinen Festival - Lars Rebehn
Die erste deutsche Puppenspieler-Marke:
Zum 100. Geburtstag der „Hohnsteiner Puppenspiele“ 38 - Julia Opitz
Papier als theatraler Körper – Gesellschaft als Bühnenraum
Zum 25-jahrigen Jubiläum des Papiertheaters Nürnberg
Nachwuchs
- Leah Wewoda
Von Edelstahlgefühlen und Sprüngen vom Beckenrand der Sparten
Die Studioinszenierung „Der thermale Widerstand“ an der Hochschule fur Schauspielkunst Ernst Busch
Inszenierung
- Franziska Reif
Weltall, Erde, Regenwald
„Wandertag im Weltraum“ im Figurentheater Chemnitz 43
Tagung
- Mareike Gaubitz
Zeit für „Critical Puppetry“
Das Symposium „Representing Alterity through Puppetry and Material Performance“ am Ballard Institute
Schweizer Fenster
- Jacqueline Surer
Im Grenzgebiet zwischen Realität und Virtualität
Zum Internationalen Basler Figurentheaterfestival - Eine eigene Sprache finden
Jacqueline Surer im Gesprach mit dem jungen Puppentheater-Macher Sebastian Ryser
Nachruf
- Silvia Brendenal
Puppenspieler, Erfinder, Ausstatter
Zum Tod von Günther Lindner (1948–2021) - Meike Wagner
Der Abstand zu Kränzen aller Art
Ein Text zum Abschied von Manfred Wegner (1956–2021)
English Summaries
Notizen/Festivalkalender
Impressum
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CONTENTS double 44:
Directing?
Between authorship and an outside view
- Andre Studt
Directing! Direction?
Speculations on an unloved term - Annika Gloystein
We are the Bear
An improvisation on a research project by Lehmann and Wenzel and Franziska Merkel - Moritz Sostmann
A long-term dialogue
Notes on working as a house director - When the sniffer dog gives the summons for the hunt and the midwife stands by
A talk with professors at the universities in Stuttgart and Berlin about directing in puppet theatre - Franziska Burger
Gaps in perception?
Directing for solo puppet theatre - On the laughability of colonial gestures and the many versions of the “crocheted blanket”.
Sabine Leucht in conversation with Jan-Christoph Gockel and Michael Pietsch - Joachim Fleischer
Direction or artistic accompaniment?
Mapping staging processes in a differentiated fashion - Franz Schrors
Making room for chance – without being arbitrary
On the role of rules in the online production ”Room without a View” - Catherine Poher
Never explain
The working principles of a director
Festivals
- Tom Mustroph
Material, interaction, intimacy.
The digital edition of the International Figure Theatre Festival in Erlangen in May 2021 - Fantasy as a shelter
Michael Lurse in conversation with Anurupa Roy at “hellwach digital”
Celebrations
- Tobias Pruwer
Rumms in the oven factory
The Westflugel Leipzig celebrates its 15th anniversary - Lars Rebehn
The first German puppeteer’s brand:
On the 100th birthday of the “Hohnsteiner Puppenspiele” - Julia Opitz
Paper as a theatrical body – society as a stage space
On the 25th anniversary of the Nuremberg Paper Theatre
Youngtalent
- Leah Wewoda
Stainless steel feelings and jumping from the edge of the pool of the disciplines
The Studio Production ‚Thermal Resistance‘ at the Ernst Busch Theatre School Production - Franziska Reif
Space, earth, rainforest
“A Day wandering in Space” at the Chemnitz Puppet Theatre
Symposium
- Mareike Gaubitz
Time for “Critical Puppetry”
The symposium ”Representing Alterity through Puppetry and Material Performance” at the Ballard Institute
Swiss Window
- Jacqueline Surer
On the border between reality and virtuality
The International Basel Puppet Theatre Festival - „Finding my own language“
Jacqueline Surer in conversation with the young puppet theatre maker Sebastian Ryser
Orbituary
- Silvia Brendenal
Puppeteer, inventor, designer
On the death of Günther Lindner (1948–2021) - Meike Wagner
Distancing yourself from all kinds of wreaths
A farewell to Manfred Wegner (1956–2021)
EDITORIAL
DIRECTING?
Between authorship and an outside view
Our main preoccupation in this issue can simply be reduced to the slogan “Directing: Question Marks“. For fundamental questions about the demands, the significance, the social and political dimensions of directing are becoming more and more urgent, alongside the aspect of artistic profiling in the specific production processes of puppet theatre. The former not only goes hand in hand with the broad discussions on the abuse of hierarchies in the theatre business, but also with the aesthetic features that reveal themselves in staging a theatre of things, and the dynamic changes it is currently undergoing. In addition, we not only address the self-image of the artists and the cultural-historical context of directing, but also external expectations and demands placed on directors.